Gottenheim von 1500 - 1850

Quelle: 1086–1986 - 900 Jahre Gottenheim von Lia Kuhn & Dr. Walter Fauler; 1986

Von Kurt Hartenbach um Karten und Links ergänzt.

Reformation und Vorderösterreich

Die Reformation, begonnen durch Martin Luthers Thesenanschlag in Wittenberg am 31. Oktober 1517, blieb auch für Gottenheim nicht ohne Folgen; denn von nun an bestimmten die Herren die Religion der Untertanen:

Die vorder-österreichischen Gemeinden: Gottenheim, Waltershofen, Merdingen, Wasenweiler... blieben katholisch. Die Orte des Markgrafen von Baden-Durlach: Bötzingen, Oberschaffhausen, Ihringen... wurden evangelisch.

Das Kranznauische Lehen war also religiös gespaltet. Gab es vorher schon Grenzstreitigkeiten zwischen den Gottenheimer und Bötzinger Bauern, so verschärfte sich die Lage noch mehr.

1525 wurde Hans Nüfferlin als Ketzer auf dem danach Heidnisch Grab oder Heidersgrab genannten Gewann hingerichtet und verscharrt. Gegen diese Eigenmächtigkeit erhob die Regierung der Markgrafschaft Baden-Durlach Beschwerde.

Bis 1600: Vorderösterreichischer Postkurs

Von 1490 bis 1614 verlief ein vorderösterreichischer Postcours von Österreich nach Frankreich direkt durch Gottenheim. Quelle: Karte der Postrouten in Baden-Württemberg 1490–1803


Leibeigenschaft und Bauernkrieg

Zu jener Zeit betrachteten die Herren nicht nur Land und Hof als ihren Besitz, sondern auch die Menschen, die für sie arbeiteten, als Leibeigene.

Bundschuh

Die ursprünglich wenigen Frondienste – ein bis zwei Tage im Jahr – wurden auf immer längere Zeiträume ausgedehnt, und waren diese früher auf die arbeitsfreie Zeit der Bauern beschränkt, so holten die Häscher sie jetzt oft mit Gewalt von den Feldern. Die Herren ritten mit ihren Jagdgesellen rücksichtslos durch die bestellten Felder, verwüsteten die Äcker und zerstörten die Ernte. Konrad von Kranzenaus Untertanen klagen: Er hab eim sine korn underbracht, dem andern sein Reben, dem vierten sin matten, dem funfften sin bonne uffgeretzt, die der Arman gesetzt het.

Joß Fritz, aus der Pfalz nach Lehen geflüchtet, sammelte die zu recht erbitterten Bauern und organisierte den Aufstand. Symbol der Erhebung war der Bundschuh, das Zeichen der Erniedrigung (kein Bauer durfte einen anderen Schuh oder Stiefel tragen!).

Dachswanger Mühle

Am 9. Oktober 1513 sollte die Fahne des Aufruhrs auf der Kirchweih in Biengen entfaltet werden. Der Plan wurde aber verraten und in der Nacht des 1. Oktobers die Verschwörer überwältigt.

Nachdem sich die im ganzen Südwest- und Mitteldeutschen Raum aufflackernden Erhebungen zu einem Krieg entwickelt hatten, zogen 1525 die Gottenheimer Bauern erneut gegen ihre Unterdrücker. Sie brannten das Schloß Kranzenau nieder und setzten die Dachswanger Mühle (Foto) in Flammen.

Im Auftrage Österreichs sammelte Wilhelm von Rappoltstein Truppen, welche die schlecht bewaffneten, erfahrungslos geführten Aufständischen leicht zerstreuten. Schon am 1. Mai 1525 war die Rebellion niedergeschlagen.

Karte der Bauernkriege 1524/25: Quelle

Karte der Bauernkriege 1524/25

Im Offenburger Unterwerfungsvertrag vom 18. Sept. 1525 wird Hans Stricher aus Gottenheim als Rädelsführer genannt. Er wurde zur Rechenschaft gezogen und bestraft, jedoch nicht wie andere Hauptschuldige hingerichtet. Allen an der Erhebung beteiligten Gemeinden wurde eine Brandschatzung von 6 Gulden je Herd auferlegt. In Wirtshäusern und auf Kirchweihen schwelte der Aufruhr weiter. Jakob Zimmermann von Gottenheim erzählte von Michael Gaismair, der in Tirol einen Bauernstaat errichten wollte. Doch Erzherzog Ferdinand von Österreich ließ jede weitere Erhebung im Keim ersticken.


Der 30jährige Krieg

Der Ausbruch des 30jährigen Krieges berührte Gottenheim zunächst wenig. Zwar zogen 1619–1622 viele Truppen durch den Breisgau, es kam aber zu keinen Kampfhandlungen. Die katholischen Fürsten schlossen sich zur Union, die evangelischen in der Liga zusammen, die durch den Eingriff der Schweden eine bedeutende Verstärkung erhielt.

Als die Schweden nach Süden vordrangen, mussten die Festung Breisach, vor allem aber die Stadt Freiburg verstärkt werden, was harte Fronarbeit bedeutete. Die schweren Kriegsleiden begannen, als die Schweden Endingen, am 30. Dezember 1632 Freiburg eroberten und die Festung Breisach belagerten. Um die völlige Einkreisung zu verhindern, überfiel der Breisacher Kommandant Montecuccoli am 16. Juni 1633 die bei Gottenheim stehenden Schweden und zwang sie zum Rückzug. Dabei wurde das Dorf fast völlig zerstört, von der Kirche blieb nur der Turm stehen.

1634 lesen wir in einem Bericht an die österreichische Regierung: Hochstetten und Hartheim sind demoliert, die Flecken der Umgebung verödet, die Bevölkerung auf ein Viertel zurückgegangen, nur noch 5% des Bodens ist bebaut. Der arme Knecht hat kein Kleid am Leibe, keine Schuhe am Fuß und zum Essen in der Not Eichelbrot.

1635 heißt es: ...in Mördingen, Waltershofen und Dachswangen ist alles zerschlagen, nicht eine bewohnbare Hofstätte und nicht ein einziger Untertan zu sehen, die meisten sind Hungers gestorben... Hinweis: Wenn Gottenheim in diesem Report nicht erwähnt wird, so nur deshalb, weil es nicht im Herrschaftsbereich des Berichters lag.

1638 wurde Breisach wieder belagert und fiel am 12. Dezember in schwedische Hand: Karte 1638 und Quelle

1645 eroberten die Österreicher Freiburg. Ob Union oder Liga, ob Freund oder Feind, beide erpressten und töteten die Bauern gleichermaßen, und am Ende des Krieges 1648 war unsere Heimat total verwüstet.


Krieg Frankreich gegen Österreich

Man kann wirklich nicht sagen, dass in den folgenden Jahren das Land in Ruhe wieder aufgebaut werden konnte. Breisach war französisch, Freiburg von Ende 1677 bis 1697 ebenfalls. Die Breisacher Brenner trieben Kriegssteuern ein: Materialien, Geld- und Heuabgaben. Die Dörfer litten unter Raub, Plünderung und Brand. Die Erbitterung der gequälten Bauern war groß. So erschlug 1703 Georg Waibell, der Kueferlin von Gottenheim im Dachswanger Bann einen französischen Überläufer.

Forschungsarbeit Volker Brecht: Grenzstein Neuershausen—Buchheim—Gottenheim

Um 1800: Gottenheim gehört zu Vorderösterreich Am 1. März 1799 ergeht ein Aufruf an die Einwohner des österreichischen Breisgaus:
Unser Vaterland ist in naher Gefahr vom Feinde wieder überfallen zu werden... Aber Leider! hat der Krieg nun schon lange unser Land geplaget, und jetzt sollen die Uibel desselben durch einen abermaligen feindlichen Einfall aufs neue vermehrt werden!...

Ende 1799 wurden alle Waffenfähigen vom 18. bis 50. Lebensjahr registriert, dabey anzumerken, wer selbst mit einem Schießgewehr versehen sey. Quelle: LEO BW: Karte Vorderösterreich um 1800

Am 25. April 1800 kam eine französische Armee bei Breisach über den Rhein und rückte über Merdingen und Gottenheim vor. Nach einem Gefecht bei Hugstetten und Lehen besetzten sie Freiburg. Die traurige Lage beschreibt ein Zeitungsartikel vom 2. Jan. 1802: ...Die kostbare Verpflegung der Truppen...hat dieses durch einen 10jährigen Krieg, und feindliche Brandschatzung zerrüttete Ländchen an den Rand des Verderbens gebracht.

Das durch Napoleon I. Gnaden zum Großherzogtum Baden erhobene Land musste dem Kaiser dafür 8.000 Mann zur Führung seiner Kriege stellen. Sammelplatz für die Region war Buchheim. Wieviele Gottenheimer sich unter den Rekruten befanden, ist nicht bekannt. Die Truppen mussten nach Spanien ziehen. Nach einem Kampf am 7. August 1810 wird vermerkt: Die braven badischen Voltigeurs (Elitetruppe der Infanterie) vertheidigten sich mit Verzweiflung, bis alle Patronen verschossen waren und wurden zuletzt niedergemacht...
An Napoleons Russlandfeldzug mussten 6.000 Badener teilnehmen, von welchen nur 400 zurückkehrten.


Hunger, Inflation, Bad.Revolution

Vergleich Währungen in Deutschland / Kurse

Nach dem Befreiungskrieg 1813 kam der ganze Breisgau durch die einquartierten Truppen der Verbündeten – darunter Russen und Österreicher – in schwere Bedrängnis. Gottenheim zahlte – so Eintragung von 1815 – an Kriegskosten:

Da die Gemeinde diesen hohen Betrag nicht aufbringen konnte, wandte sie sich an private Geldgeber und erhielt so:

Die hohe Verschuldung des ganzen Landes brachte die Teuerung:

Als Folge stehen 1816 und 1817 als die größten Hungerjahre in den Gottenheimer Akten verzeichnet.

1813 begann man zur Verbesserung der Existenzgrundlage der Bauern mit der Kultivierung des versumpften Ödlandes in den Gewannen Moos und Eichen, die zu Ackerland und Matten umgewandelt wurden.

1850–1855 war die zweite Hunger- und Teuerungszeit: Die Fürstlich Hohenzollerische Verwaltung in Umkirch gab für die notleidende Bevölkerung täglich eine Suppe aus, die in einem kleinen Fass auf einem Karren nach Gottenheim geholt und im Dorf verteilt wurde.

In diesen Zeiten (speziell nach 1848 als die badische Revolution scheiterte) gab es auch in Gottenheim viele Auswanderer, die meisten gingen nach Nordamerika