Gottenheim von 1350 - 1850
Quelle: 1086–1986 - 900 Jahre Gottenheim
von Lia Kuhn & Dr. Walter Fauler; 1986
Von Kurt Hartenbach um Karten und Links ergänzt.
Not durch Krankheit und Hunger
Die Pest
1347–1352 wurde ganz Europa von der Pest heimgesucht. Im Breisgau nennt man das Jahr 1350 allgemein das Jahr des Schwarzen Todes
. Ortschaften und Familien starben aus, die Friedhöfe
konnten die Leichen nicht mehr fassen, die Felder blieben unbestellt. Die Seuche wurde aus dem Süden eingeschleppt, durch verpestetes
Wasser, Ratten und Flöhe verbreitet.
Zur Abwehr entzündeten die Menschen Notfeuer, verbrannten Bibernelle, Wacholder und Baldrian, zogen Gräben um ihre Dörfer und läuteten die Glocken, um den bösen
Geist
zu bannen. Die Häuser der Verstorbenen zündete man kurzerhand an.
Eine letzte Zuflucht fanden die Leidenden in ihrem Glauben. Sie errichteten Pestkapellen, – Albans-Kapelle in Bötzingen/ Oberschaffhausen (Foto) – stellten Pestkreuze auf, riefen die Pest-Patrone: St.Georg als Drachentöter, Rochus und Sebastian um Hilfe an, gelobten jährliche Pestprozessionen abzuhalten oder Passionsspiele aufzuführen.
1564 und 1633 wütete die Seuche in Gottenheim noch zweimal.
Reformation und Vorderösterreich
Die Reformation, begonnen durch Martin Luthers Thesenanschlag in Wittenberg am 31. Oktober 1517, blieb auch für Gottenheim nicht ohne Folgen; denn von nun an bestimmten die Herren die Religion der Untertanen:
Die vorder-österreichischen Gemeinden: Gottenheim, Waltershofen, Merdingen, Wasenweiler... blieben katholisch. Die Orte des Markgrafen von Baden-Durlach: Bötzingen, Oberschaffhausen, Ihringen... wurden evangelisch.
Das Kranznauische Lehen war also religiös gespaltet. Gab es vorher schon Grenzstreitigkeiten zwischen den Gottenheimer und Bötzinger Bauern, so verschärfte sich die Lage noch mehr.
1525 wurde Hans Nüfferlin als Ketzer
auf dem danach Heidnisch Grab
oder Heidersgrab
genannten Gewann hingerichtet
und verscharrt
. Gegen diese Eigenmächtigkeit erhob die Regierung der Markgrafschaft Baden-Durlach Beschwerde.
Von 1490 bis 1614 verlief ein vorderösterreichischer Postcours
von Österreich nach Frankreich direkt durch Gottenheim. Quelle:
Karte der Postrouten in Baden-Württemberg 1490–1803
Leibeigenschaft und Bauernkrieg
Zu jener Zeit betrachteten die Herren nicht nur Land und Hof als ihren Besitz, sondern auch die Menschen, die für sie arbeiteten, als Leibeigene.
Die ursprünglich wenigen Frondienste – ein bis zwei Tage im Jahr – wurden auf immer längere Zeiträume ausgedehnt, und waren diese früher auf die arbeitsfreie Zeit der Bauern beschränkt, so holten die Häscher sie jetzt oft mit Gewalt von den
Feldern. Die Herren ritten mit ihren Jagdgesellen rücksichtslos durch die bestellten Felder, verwüsteten die Äcker und zerstörten die Ernte. Konrad von Kranzenaus Untertanen klagen: Er hab
eim sine korn underbracht, dem andern sein Reben, dem vierten sin matten, dem funfften sin bonne uffgeretzt, die der Arman gesetzt het.
Joß Fritz, aus der Pfalz nach Lehen geflüchtet, sammelte die zu recht erbitterten Bauern und organisierte den Aufstand. Symbol der Erhebung war der Bundschuh, das Zeichen der Erniedrigung (kein Bauer durfte einen anderen Schuh oder Stiefel tragen!).
Am 9. Oktober 1513 sollte die Fahne des Aufruhrs auf der Kirchweih in Biengen entfaltet werden. Der Plan wurde aber verraten und in der Nacht des 1. Oktobers die Verschwörer überwältigt.
Nachdem sich die im ganzen Südwest- und Mitteldeutschen Raum aufflackernden Erhebungen zu einem Krieg entwickelt hatten, zogen 1525 die Gottenheimer Bauern erneut gegen ihre Unterdrücker. Sie brannten das Schloss Kranzenau nieder und setzten die Dachswanger Mühle (Foto) in Flammen.
Im Auftrage Österreichs sammelte Wilhelm von Rappoltstein Truppen, welche die schlecht bewaffneten, erfahrungslos geführten Aufständischen leicht zerstreuten. Schon am 1. Mai 1525 war die Rebellion niedergeschlagen.
Karte der Bauernkriege 1524/25: Quelle
Im Offenburger Unterwerfungsvertrag vom 18. Sept. 1525 wird Hans Stricher aus Gottenheim als Rädelsführer genannt. Er wurde zur Rechenschaft gezogen und bestraft,
jedoch nicht wie andere Hauptschuldige hingerichtet. Allen an der Erhebung beteiligten Gemeinden wurde eine Brandschatzung
von 6 Gulden je Herd
auferlegt.
In Wirtshäusern und auf Kirchweihen schwelte der Aufruhr weiter. Jakob Zimmermann von Gottenheim erzählte von Michael Gaismair, der in Tirol einen Bauernstaat
errichten wollte. Doch Erzherzog Ferdinand von Österreich ließ jede weitere Erhebung im Keim ersticken.
Der 30jährige Krieg
Der Ausbruch des 30jährigen Krieges berührte Gottenheim zunächst wenig. Zwar zogen 1619–1622 viele Truppen durch den Breisgau, es kam aber zu keinen Kampfhandlungen. Die katholischen Fürsten schlossen sich zur Union, die evangelischen in der Liga zusammen, die durch den Eingriff der Schweden eine bedeutende Verstärkung erhielt.
Als die Schweden nach Süden vordrangen, mussten die Festung Breisach, vor allem aber die Stadt Freiburg verstärkt werden, was harte Fronarbeit bedeutete. Die schweren Kriegsleiden begannen, als die Schweden Endingen, am 30. Dezember 1632 Freiburg eroberten und die Festung Breisach belagerten. Um die völlige Einkreisung zu verhindern, überfiel der Breisacher Kommandant Montecuccoli am 16. Juni 1633 die bei Gottenheim stehenden Schweden und zwang sie zum Rückzug. Dabei wurde das Dorf fast völlig zerstört, von der Kirche blieb nur der Turm stehen.
1634 lesen wir in einem Bericht an die österreichische Regierung: Hochstetten und Hartheim sind demoliert, die Flecken der Umgebung verödet, die Bevölkerung auf ein Viertel zurückgegangen,
nur noch 5% des Bodens ist bebaut. Der arme Knecht hat kein Kleid am Leibe, keine Schuhe am Fuß und zum Essen in der Not Eichelbrot.
1635 heißt es: ...in Mördingen, Waltershofen und Dachswangen ist alles zerschlagen, nicht eine bewohnbare Hofstätte und nicht ein einziger Untertan zu sehen, die meisten sind Hungers gestorben...
Hinweis: Wenn Gottenheim in diesem Report nicht erwähnt wird, so nur deshalb, weil es nicht im Herrschaftsbereich des Berichters lag.
1638 wurde Breisach wieder belagert und fiel am 12. Dezember in schwedische Hand. Quelle
1645 eroberten die Österreicher Freiburg. Ob Union oder Liga, ob Freund
oder Feind,
beide erpressten und töteten die Bauern gleichermaßen, und am Ende des Krieges 1648 war unsere Heimat total verwüstet.
Krieg Frankreich gegen Österreich
Man kann wirklich nicht sagen, dass in den folgenden Jahren das Land in Ruhe wieder aufgebaut werden konnte. Breisach war französisch, Freiburg von Ende 1677 bis 1697 ebenfalls. Die Breisacher
Brenner
trieben Kriegssteuern ein: Materialien, Geld- und Heuabgaben. Die Dörfer litten unter Raub, Plünderung und Brand. Die Erbitterung der gequälten Bauern war groß. So erschlug 1703 Georg Waibell, der
Kueferlin
von Gottenheim im Dachswanger Bann einen französischen Überläufer.
Forschungsarbeit Volker Brecht: Grenzstein Neuershausen—Buchheim—Gottenheim
Am 1. März 1799 ergeht ein Aufruf an die Einwohner des österreichischen Breisgaus:
Unser Vaterland ist in naher Gefahr vom Feinde wieder überfallen zu werden... Aber Leider! hat der Krieg nun schon lange unser Land geplaget, und jetzt sollen die Uibel desselben durch einen
abermaligen feindlichen Einfall aufs neue vermehrt werden!...
Ende 1799 wurden alle Waffenfähigen vom 18. bis 50. Lebensjahr registriert, dabey anzumerken, wer selbst mit einem Schießgewehr versehen sey.
Quelle: LEO BW: Karte Vorderösterreich um 1800
Am 25. April 1800 kam eine französische Armee bei Breisach über den Rhein und rückte über Merdingen und Gottenheim vor. Nach einem Gefecht bei Hugstetten und Lehen besetzten sie Freiburg.
Die traurige Lage beschreibt ein Zeitungsartikel vom 2. Jan. 1802: ...Die kostbare Verpflegung der Truppen...hat dieses durch einen 10jährigen Krieg, und feindliche Brandschatzung
zerrüttete Ländchen an den Rand des Verderbens gebracht.
Das durch Napoleon I. Gnaden
zum Großherzogtum Baden erhobene Land musste dem Kaiser dafür 8.000 Mann zur Führung seiner Kriege stellen. Sammelplatz für die Region war Buchheim.
Wieviele Gottenheimer sich unter den Rekruten befanden, ist nicht bekannt. Die Truppen mussten nach Spanien ziehen. Nach einem Kampf am 7. August 1810 wird vermerkt:
Die braven badischen Voltigeurs (Elitetruppe der Infanterie) vertheidigten sich mit Verzweiflung, bis alle Patronen verschossen waren und wurden zuletzt niedergemacht...
An Napoleons Russlandfeldzug mussten 6.000 Badener teilnehmen, von welchen nur 400 zurückkehrten.
Hunger, Inflation, Bad.Revolution
Vergleich Währungen in Deutschland / Kurse
Nach dem Befreiungskrieg 1813 kam der ganze Breisgau durch die einquartierten Truppen der Verbündeten – darunter Russen und Österreicher – in schwere Bedrängnis. Gottenheim zahlte – so Eintragung von 1815 – an Kriegskosten:
- 4.560 Gulden Barleistung
- 3.930 Gulden für Hafer, Frucht, Heu
- 474 Gulden für Lebensmittel
Da die Gemeinde diesen hohen Betrag nicht aufbringen konnte, wandte sie sich an private Geldgeber und erhielt so:
- 3.275 Gulden von Xaver Mayer, Sonnenwirt
- 1.000 Gulden von Protas Selinger
- 1.000 Gulden von einem Freiburger
Die hohe Verschuldung des ganzen Landes brachte die Teuerung:
- 1815 kostete 1 Sester (=18,25 Liter) Weizen 1,30 Gulden
- 1816 schon 2,05 Gulden und
- 1817 gar 8,00 Gulden
Als Folge stehen 1816 und 1817 als die größten Hungerjahre in den Gottenheimer Akten verzeichnet.
1813 begann man zur Verbesserung der Existenzgrundlage der Bauern mit der Kultivierung des versumpften Ödlandes in den Gewannen Moos und Eichen, die zu Ackerland und Matten umgewandelt wurden.
1850–1855 war die zweite Hunger- und Teuerungszeit: Die Fürstlich Hohenzollerische Verwaltung in Umkirch gab für die notleidende Bevölkerung täglich eine Suppe aus, die in einem kleinen Fass auf einem Karren nach Gottenheim geholt und im Dorf verteilt wurde.
In diesen Zeiten (speziell nach 1848 als die badische Revolution scheiterte) gab es auch in Gottenheim viele Auswanderer, die meisten gingen nach Nordamerika