Rückschau Gedenkanlässe der vergangenen Jahre bis 2010
Rückschau Gedenkanlässe 2010
Alle Texte: Dr. J. W. Bammert1. Konrad Zuse (geb. 22.6.1910 in Berlin)
Konrad Ernst Otto Zuse werden drei besondere Leistungen in der Computertechnik zugeschrieben:
a) Er baute 1941 die weltweit erste programmgesteuerte Rechenmaschine.
b) Er entwickelte für das Rechnen mit Computern die Methode der Gleitkommazahlen, die er dem Verfahren nachempfand, das beim Umgang mit Logarithmentafeln schon lange üblich war.
c) Er entwarf die formale Sprache Plankalkül
, die erste universelle Programmiersprache. Diese wurde allerdings erst jetzt vor 10 Jahren in einem Computer wirklich implementiert.
Entwicklungsstationen
- 1912 Umzug der Familie nach Braunsberg (Ostpreußen).
- 1925 Umzug nach Hoyerswerda (Oberlausitz).
- 1928 Abitur in Hoyerswerda.
- bis 1935 Studium in Berlin (heutige TU), Diplom als Bauingenieur.
- 1935-1945? Arbeit für Flugstatik bei den Henschel-Werken.
- 1934 erste Überlegungen zur Konstruktion von Rechenmaschinen.
- 1938 Fertigstellung der Z1, die erst eingeschränkt programmierbar war und noch in wesentlichen Teilen mechanisch arbeitete.
- 1940 Bau der Z2, die bereits mit Telefonrelais arbeitete. Eigene Firma gegründet.
- 1941 Bau der Z3, vollprogrammierbarer Rechner für binäre Gleitkommazahlen, mit Relais-Rechenwerk und -Speicher. Noch keine bedingten Sprünge.
- 1941-1945 Entwicklung der Sprache Plankalkül
.
- 1945 Werkstatt und Z3 durch Bomben zerstört. Bereits fertige Teile der Z4 waren rechtzeitig nach Hindelang (Allgäu) ausgelagert.
- 1949 Neugründung der Zuse KG
in Neukirchen bei Fulda. Bau der Z4 und Installierung an der Züricher ETH (noch vor der ersten UNIVAC in Amerika).
- 1950-er Jahre: weitere Computerbauten; besondere Erfolge waren Z11 und Z22, wo erstmals Magnetspeicher eingesetzt wurden.
- 1957 Firmenverlegung nach Bad Hersfeld.
- 1964 Konrad Zuse verlässt seine Firma und privatisiert. Von nun an widmet er sich vorrangig der Malerei (Portraits und abstrakte Bilder; Pseudonym: Kuno See. Es gibt z.B. ein von ihm gemaltes Portrait von Bill Gates, das er diesem schenkte).
- 1967 die Zuse KG wird von Siemens übernommen. Bis dahin hat sie 251 Computer gebaut.
- 1990er Konstruktion des sich automatisch selbst aufbauenden Helixturms
- 1995 Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband.
- 18.12.1995 Konrad Zuse stirbt in Hünfeld bei Fulda.
Zum Originaldokument aus einem Programmierkurs von 1958/59
Der Kurs wurde abgehalten von Privatdozent Dr. Geis am Mathematischen Institut der Universität Freiburg. Die Studenten machten ihre Übungen auf der dort installierten Z22.
Überwiegend wurde in einer zusammengefassten Maschinensprache programmiert, teils auch in
der universellen Programmiersprache ALGOL. Eingabe erfolgte über Lochstreifen im alten Fernschreibe-Code. In Konstanz (Forschungsabteilung Telefunken) wurde
auf einer Z22R gearbeitet, an die schon ein Lochkartenleser angeschlossen war. Programmiersprache war FORTRAN. Lochkarten und FORTRAN lösten Lochstreifen und
ALGOL bald für viele Jahre ab. Nur im Ostblock wurde noch lange mit ALGOL weitergearbeitet.
Lehrgegenstand des Kurses war außer den Programmierübungen auch der Einblick in den Aufbau und die Schaltpläne der Computer, die damals noch einigermaßen übersichtlich waren.
Dazu gehören Begriffe wie Magnetkern-Speicher, Trommelspeicher (die Z22 hatte einen), digitale Gleitkommazahl versus tetradenverschlüsselte
Dezimal-Gleitkommazahl, logische Junktoren, Halbaddierwerk, Tetradenaddierwerk, Addier- und Multiplizierwerk u.s.w.
2. Frédéric Chopin (geb. 22.2. oder 1.3. oder 4.3.1810)
(Geburtstagsdaten schwanken je nach Quelle.)Entwicklungsstationen
- 1818 erster öffentlicher Spiel-Auftritt
- 1822 Ausbildungsbeginn bei seinem hauptsächlichen Lehrer Josef Elsner in Musiktheorie und Komposition
- 1825 erste Komposition im Druck
- 1829 Ende des Studiums und Konzertreise nach Wien
- 1830 Übersiedlung nach Paris
- 1838 Reise (zwecks Therapie) nach Mallorca (mit George Sand), keine Genesung
- 1848 Konzertreise nach England, Verschlimmerung der Krankheit
- 1849 am 17.10. Tod in Paris
Stichworte in Gottfried Benns berühmten Gedicht über Chopin
Eugène Delacroix (1798-1863) Maler, in Paris mit Chopin (und mit George Sand) befreundet; es gibt ein Gemälde von Delacroix, das Chopin darstellt.
Sébastien Erard (1752-1831) aus dem Elsaß stammender Klavierbauer in Paris
Ignaz Pleyel (1757-1831) aus Österreich stammender Musiker, Komponist und Klavierbauer mit Werkstatt in Paris
John Broadwood (1732-1812) Klavierbauer in London
George Sand (1804-1876) Schriftstellerin, bürgerlicher Name Amandine Aurore Lucile Dupin, Urenkelin des Hermann Moritz
von Sachsen; 1830 oder 1831 legte sie sich ihren Künstlernamen zu, der zum Teil vom Namen ihres damaligen Freundes Sandeau abgeleitet war; sie warb in vielen
Schriften auch für die Emanzipation der Frau, war 1837-1847 Lebensabschnittspartnerin von Chopin, hatte von ihrem früheren Ehemann zwei
Kinder Maurice (geb. 1823) und Solange (geb. 1828); ihr lebenslanger Hauptwohnsitz war das elterliche Anwesen in:
Nohant, genauer Nohant-Vic (zum Unterschied von anderen Orten Nohant), einem Dorf mit nicht ganz 500 Einwohnern im canton La Châtre, Département Indre, etwa in der Mitte zwischen Orléans und Limoges.
siamesisch dem Mittelfinger: Der vierte Finger der Spielhand ist bekanntermaßen der schwächste und gegenüber dem benachbarten Mittelfinger
wenig selbständig. Chopin anerkannte und berücksichtigte diese Tatsache bei seinen Kompositionen, die ansonsten dem Spieler äußerste Virtuosität
abverlangten. Ganz anders hat Schumann, der ihn sehr verehrte, diese Beschränkung nicht hinnehmen wollen. Er versuchte durch gewaltsames Training,
seinen vierten Finger zu stärken, machte aber seine Hände damit so krank, dass er überhaupt nicht mehr spielen konnte. In der Regel musste seine Frau Clara
seine Klavierwerke spielen. Das Jahr 2010 war auch ein Schumann-Jahr (200. Geburtstag). Er ist am 8.6.1810 geboren.
Delphine Potocka (März 1807-2.4.1877) Polnische Gräfin, nach Paris emigriert, Schülerin und Freundin Chopins. Sie sang öfters bei Gesellschaften. Chopin widmete ihr den "Minutenwalzer".
3. Freiherr von Wessenberg (gest. 9.8.1860)
Ignaz Heinrich Karl v. Wessenberg war ein bedeutender Mann zugleich der Kirche wie auch der Aufklärung.a) zu Person und Herkunft:
Die Freiherren von Wessenberg stammten aus dem Aargau, waren aber seit dem 15. Jh. im Breisgau begütert, z.B. in Bechtoldskirch, Feldkirch, Föhrental, Hugstetten, Merdingen, Oberrimsingen
und Wildtal, später immer mehr auf die Herrschaft Feldkirch konzentriert. Philipp Karl v. Wessenberg war Minister und "Obersthofmeister" in Kursachsen und glühender Anhänger von Kaiser Josef II.
Sein Sohn Ignaz Heinrich Karl v. Wessenberg wurde am 4.11.1774 in Dresden geboren, verbrachte aber seine Kindheit in Feldkirch. Seine Mutter war eine Gräfin Thurn-Valsassina.
b) Was heißt Aufklärung?
Geistige Strömung vor allem des 18. Jh., ermöglichte den Aufschwung der Wissenschaften und die Französische Revolution. Definition nach Kant: "Ausgang des Menschen aus seiner
selbstverschuldeten Unmündigkeit". Politisch führte die Aufklärung zum "aufgeklärten Absolutismus" ebenso wie zu zunehmender Demokratisierung und z.B. dem Entstehen der USA aber auch zum Phänomen
Napoleon. Heute wird die Aufklärung oft mit Verabsolutierung der Vernunft und ungebremstem Fortschrittsglauben assoziiert, obwohl dies nur ein Teilaspekt der
in sich vielschichtigen Aufklärung war. Einer der letzten Denker, der sich ausdrücklich zum Geist der Aufklärung bekannte, war Albert Schweitzer.
c) Geschichte des Bistumswechsels Konstanz-Freiburg:
22.2.1800 Karl Theodor v. Dalberg wird Fürstbischof von Konstanz, selbst der Aufklärung verbunden und Befürworter der Annäherung an Napoleon.
1802 Dalberg wird zusätzlich Erzbischof von Mainz. Er ernennt Wessenberg zum Generalvikar in Konstanz.
1803 Dalberg wird Erzbischof von Regensburg (als Ersatz für das französisch gewordene Mainz).
1806 Dalberg wird Fürstprimas des von Napoleon eben gegründeten Rheinbunds.
Winter 1813 Zusammenbruch des Napoleonischen Reichs. Auflösung des Rheinbunds.
2.11.1814 Der schweizerische Anteil wird durch Erlass von Papst Pius VII. vom Bistum Konstanz abgetrennt. Gleichzeitig wird Dalberg aufgefordert, Wessenberg zu entlassen.
1815 Dalberg empfiehlt Wessenberg als seinen Nachfolger.
10.2.1817 Dalberg stirbt in Regensburg. Wessenberg wird vom Konstanzer Domkapitel zum Bistumsverweser gewählt. Der Papst setzt Wessenberg sofort wieder ab.
21.6.1817 Großherzog Karl von Baden erklärt Wessenbergs Absetzung für unzulässig und nichtig.
Sommer 1817: Wessenberg reist nach Rom, um sich zu rechtfertigen. Vergebens.
Dez. 1818 Großherzog Karl stirbt. Sein Onkel Ludwig besteigt den Thron. Er ist eher der päpstlichen Partei zugeneigt.
16.8.1821 Päpstliche Bulle "Provida solersque" hebt das Bistum Konstanz auf und schafft eine neue "Oberrheinische Kirchenprovinz" mit den Bistümern Mainz, Fulda,
Rottenburg, Limburg und einem neuen Bistum Freiburg. Metropolitansitz und Erzbistum soll Freiburg sein.
1822 Alle Dekanate, aufgefordert, Vorschläge für den neuen Erzbischof von Freiburg zu machen, nennen an erster Stelle Wessenberg. Der Großherzog rät ihm, aus persönlichen Gründen abzulehnen. Dieser ist dazu nicht bereit.
1827 Großherzog Ludwig nennt dem Vatikan den Münsterpfarrer Boll als genehmen Kandidaten.
Okt. 1827 Boll wird mit päpstlicher Genehmigung als erster Erzbischof von Freiburg eingesetzt.
21.10.1827 Wessenberg verabschiedet sich mit einem Hirtenbrief von den Geistlichen seiner Diözese.
d) Würdigung:
Wessenbergs Einsatz war ausgesprochen modern, ja seiner Zeit voraus und umfasste so manches, was uns heute entweder selbstverständlich geworden oder ein immer noch umstrittenes
Thema geblieben ist, z.B. Toleranz Andersgläubiger, Versöhnung der Konfessionen (was wir heute ökumenische Bewegung nennen), Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten
für die Geistlichkeit und das Volk, Liturgie in deutscher Sprache, Aufhebung des Zwangs zum Zölibat. Was ihn in starken Gegensatz zum Vatikan brachte, war
vor allem, dass er zwar behutsam aber weitgehend die Ideen der Josefinischen Reform wieder aufgriff bis hin zum Gedanken an eine deutsche Nationalkirche.
Dass seine historische Bedeutung von Anhängern und Gegnern anerkannt wurde, zeigt sich auch in der Literatur. Dafür nur zwei Beispiele:
1. Die 312-seitige Geschichte der Stadt Konstanz
von W. Martens (1911), die Wessenberg 11 Seiten widmet.
2. Ein Artikel des Kirchenhistorikers K.-H. Braun zum 150. Todestag Wessenbergs im Konradsblatt 32 vom August 2010 unter dem Titel "Den Glauben bewusster leben".
4. Qin Shi huang di (gest. 10.9.210 v. Chr.)
Dieser Fürst aus der Sippe der Qin unterwarf, ausgehend vom Reich Qin, in wenigen Jahren alle anderen "streitenden Reiche" des chinesischen Raumes, zuletzt auch das Reich Qi auf der Halbinsel Shandong. Damit war ganz China ein einziges Reich. Anschließend baute er für dieses Riesenreich eine aus damaliger Sicht moderne, funktionsfähige Verwaltung auf. Zu dieser gewaltigen Leistung standen ihm nur 11 Jahre zur Verfügung. Dann starb er an einer ungeklärten Krankheit. Bald nach seinem Tode wurde seine Dynastie durch einen Aufstand beseitigt. Die Sippe Han übernahm die Führung, änderte vieles, behielt aber die Grundsätze der Reichsorganisation und Verwaltung bei. Diese haben im Grunde bis heute überdauert.
Militärischer Erfolg:
stand am Anfang und war möglich durch Neuorganisation des Heeres in Ausrüstung, Gliederungsstruktur, taktischer Führung und ein System von Erfolgsprämien und Strafen für Misserfolg.
Wenn man den überlieferten Zahlen glaubt, soll sein Heer das größte gewesen sein, das die Geschichte bis an die Grenzen des 20. Jahrhunderts kennt. Shi huangs Stolz auf
diese Heeresorganisation drückt sich auch in der berühmt gewordenen Tonkriegerarmee aus, die seine Grabanlage bei Xi'an "bewacht".
Verwaltung des Reichs:
basiert auf Infrastrukturmaßnahmen wie vereinheitlichen und rationalisieren von Maß und Gewicht, Münze, Wagenspurweite
und Straßenbau, sowie normieren der Schrift (in den Grundzügen unverändert bis heute!).
Legitimation und Machterhalt:
entscheidend war die wohlgeplante Übernahme der Riten vom heiligen Berg Taishan im Reiche Qi zur Bestätigung des Führungsauftrags durch "den Himmel".
Dabei hat der neue Kaiser gezielt den Vermittlungsanspruch einer Priesterschicht von vorn herein ausgeschaltet (Ein Vergleich zu Karl dem Großen in Europa ist erlaubt).
Da etwa 80% des Reiches gewaltsam erobert war und daher nicht freundlich gesonnen, Ging der Kaiser gegen innere Gegner rigoros vor.
Die Große Mauer:
ihr Bau wird Shi huang zugeschrieben. Die Über- und Unmenschliche
Aktion ist wohl übertrieben dargestellt. Seine Mauer glich eher einem Erdwall als dem heute
bewunderten Mauerwerk aus der viel späteren Ming-Dynastie. Außerdem gab es solche Wälle schon vorher. Vielfach hatten sich die "streitenden Reiche" gegeneinander verbarrikadiert
(berühmt die Qi-Mauer als älteste im Gelände noch nachweisbare). Shi huang hatte nur Lücken zu füllen, die Teile zu einem Ganzen zu verbinden und vor
allem den Gebrauch als Verteidigungsmittel nach außen (z.B. gegen die Hunnen
) und als Signallinie zu organisieren (Analogie zum späteren Limes des Römischen Reichs!).
Würdigung:
Seine unerbittlichen Gewaltakte und seine Grausamkeit werden Shi huang vor allem vorgeworfen, so schon von Zeitgenossen.
Man sollte aber auch den Kontrast zur Zeit vor ihm sehen. Wir haben (vermutlich zuverlässige) Kunde von den Zuständen Jahrhunderte davor durch die historischen
Schriften des Konfuzius (bis ca. 479 v. Chr.). Er beschreibt die Frühlings- und Herbstperiode
und die von ihm gerade noch erlebten
Anfangsjahre der "Streitenden Reiche", schildert sie als chaotisch und schier unerträglich für das Volk. Bis zur Reichseinigung durch Shi huang
221 hat sich dies höchstens noch verschlimmert. Ein schwerwiegender Vorwurf betrifft die von ihm durchgeführte Schriftenverbrennung. Man zieht sogar Vergleiche
zur Kulturrevolution
unter Mao. Immerhin ist aber überliefert, dass er auch von den verbrannten Werken immer ein Exemplar zur Dokumentation in seinen Archiven aufbewahren ließ.
Erstmalige Einigung?:
Es darf bezweifelt werden, dass es kein früheres Großreich in China gegeben habe.
Die traditionelle konfuzianische Historiographie spricht von den Mythischen Kaisern
. Sicher sind daran viele nachträglichen Konstrukte beteiligt. Andererseits
sprechen archäologische Befunde dafür, dass der eine oder anderer dieser mythischen Kaiser tatsächlich existiert haben könnte. Historisch einigermaßen
fassbar sind immerhin die Herrscher der Xia-, Shang-, und Zhou-Dynastie. Erst diese ging dann allmählich in einen chaotischen Zerfallszustand über.
Zusatz: Kalenderprobleme:
Von 210 vor bis 2010 nach Chr., wie viele Jahre sind denn das? Antwort: man denkt zunächst 2220 (denn vor
und nach muss ja addiert werden), aber nein, es sind nur 2219, da es kein Jahr 0 gibt. Also überhaupt keine runde
Zahl! Auch 2220 wäre nicht
Jubiläumswürdig (wir beginnen mit 100 und erwarten Hunderterschritte, lassen allenfalls noch 150, 250... zu). Aber was ist eigentlich ein Jubiläum? Es ist
nicht streng definiert. Wenn die Datums-Schreibung "hinten gleich aussieht" ist dies jubiläumsverdächtig. im Normalablauf der letzten paar
Jahrhunderte kommt das ja auch auf das gleiche hinaus. Erst bei Kalenderwechsel kommt man ins Schleudern. So z.B. vor Chr. - nach Chr. Aber wenn man Jubiläen
auf den Tag genau nehmen will, hat man das Problem schon über das Jahr der Einführung des Gregorianischen gegen den Julianischen Kalender, das auch noch
von Land zu Land verschieden sein kann. Also bitte nehmts nicht allzu genau mit den Jubiläen!
5. Was noch?
Kurz angesprochen werden noch die folgenden Fälle:5.1. Henri Dunant (8.5.1828 - 30.10.1910)
Schweizer Geschäftsmann und Schriftsteller (z.B.Souvenir de Solferino), Initiator der Genfer Konvention und
Gründer des Roten Kreuzes (1864). Friedensnobelpreis 1901.
Stichworte:
Schlacht bei Solferino 1859 Franzosen unter Napoleon III. gegen Österreicher
Genfer Konvention:
internationale Übereinkunft seit 1864, Erneuerung 1906, 1929, 1949. Vier Abkommen
a) über Verwundete im Felde
b) über Verwundete der Seestreitkräfte (seit Haager Friedenskonferenz 1907)
c) über Kriegsgefangene
d) über Zivilpersonen (seit 1949)
5.2. Alarich in Rom (410) und Tod in Kalabrien, bestattet an unbekannter Stelle "im Busento bei Cosenza".
Stichworte:
Alarich (ca. 370 - 410) seit 395 König der Westgoten, 401 Einfall in Italien, 410 Plünderung Roms.
Ballade: "Das Grab im Busento" von August Graf v. Platen
5.3. Moriskenvertreibung aus Spanien (1610)
Morisken waren die nach Abschluss der Reconquistà (1492) in Andalusien gebliebenen und christianisierten Mauren. Sie pflegten aber ihre Volksbräuche weiter und wurden von der Inquisition sehr bedrängt.
Ein Aufstand der Morisken unter Hernando El Darra (1568/69) begann in der Alpujarra (Bergland am Südabfall der Sierra Nevada südlich von Granada), wurde niedergeschlagen und führte 1610 zur völligen Vertreibung. Als letzte städtische Siedlung der Morisken gilt Frigiliana in der Alpujarra.
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Alle Bilder: Dr. J. W. Bammert
5.4. Johannes Kepler verwendet das erste Fernrohr (1610)
Es handelt sich dabei um das Keplersche oder astronomische Fernrohr. Das Galileische oder holländische Fernrohr wurde schon 1609 von Galileo Galilei verwendet. Er entdeckte damit die Jupitermonde.
Stichworte:
Keplersches Fernrohr: Es hat als Objektiv und Okular jeweils Konvexlinsen. Das Objektiv erzeugt ein reales Bild, das durch das Okular (als Lupe) betrachtet wird. Dieses Bild ist kopfstehend.
Galileisches Fernrohr: Es hat als Okular eine Konkavlinse. Der Strahlengang des Objektivs wird vor der Entstehung des realen Bildes so auseinander gebogen, dass sich ein vergrößertes virtuelles Bild ergibt. Dieses Bild steht aufrecht. Solche Fernrohre werden heute nur für kurze Entfernungen (irdisch) gebraucht, sind aber lichtstärker.
5.5. Tolstoi (9.9.1828 - 20.11.1910)
Lew Nikolajewitsch Tolstoi lebte nach Studium, Offizierslaufbahn und Europareisen zurückgezogen auf seinem ererbten Landsitz Jasnaja Poljana und schrieb dort seine großen Literarischen Werke, getragen von radikaler Sozialkritik auf religiöser Basis. Er hatte eine starke Ausstrahlungswirkung auf den europäischen und vor allem russischen Sozialismus.
Literaturempfehlung: die klassische Lebensbeschreibung durch den Nobelpreisträger Romain Rolland: Das Leben Tolstois
, französisches Original 1912, deutsche Übersetzung 1922.
Aufschlussreiches Werk Tolstois: "Was sollen wir denn tun?" 1886; deutsche Neuausgabe 1991 von P.H. Dörr.
Eine Teilnehmerin trug zur Ergänzung vor, es gebe nicht nur berühmte Männer, sondern auch Frauen.
Sie habe z.B. drei gefunden, die auch im vergangenen Jahr Gedenkanlass boten:
5.6. Florence Nightingale (8.5.1820 - 13.8.1910)
organisierte die Kranken- und Verwundetenpflege im Krimkrieg. Ihr Vorbild war auch für Henri Dunant Anregung bei der Gründung des Roten Kreuzes. Er sagte über sie, er müsse eigentlich sein
Renommee mit dieser Frau teilen.
Stichwort: Krimkrieg: 1853-1856 Russland gegen Türkei und deren Koalition (England, Frankreich, Sardinien)
5.7. Luise von Preußen (10.3.1776 - 19.7.1810)
Geboren in Hannover als Luise Auguste Wilhelmine Amalie Prinzessin v. Mecklenburg-Strelitz, wurde sie Gattin von König Friedrich Wilhelm III., somit Königin von Preußen (Hochzeit 1793), ihrerzeit "Königin der Herzen". Von ihren 10 Kindern überlebten 7, darunter die nachmaligen König Friedrich Wilhelm IV. und Kaiser Wilhelm I.
Ihre schlechte Meinung von Napoleon war nach dem für Preußen provokativen Schacher um das Fürstentum Hannover wohl mit ein Grund für die Kriegserklärung 1806, die aber zu der Niederlage bei Jena und Auerstädt führte (14.10.1806). Das Königspaar musste bis nach Memel fliehen. Unterwegs erkrankte Luise an Typhus. Berühmt ist auch Luises Treffen mit Napoleon in Tilsit (6.7.1807). Sie hoffte, ihn zu beeindrucken und mildere Bedingungen für Preußen zu erreichen, aber vergebens. Erst auf Weihnachten 1809 durfte sie nach Berlin zurückkehren. Im Frühsommer an einer Lungenentzündung erkrankt, reiste sie zwecks Genesung, da für Bad Pyrmont das Geld fehlte, nach Schloss Hohenzieritz, wo sie bald darauf im Alter von 34 Jahren starb.
5.8. Elizabeth Blackwell (1821 - 1910)
Geboren in England, gestorben in Schottland, hat sie doch das Wesentliche ihrer Laufbahn in Amerika vollbracht. Sie war die erste Ärztin Amerikas. Sie entstammte einer begabten Auswandererfamilie. Obwohl in den USA das Medizinstudium für Frauen bis 1895 verboten war, schaffte sie es doch, im New Yorker Geneva College aufgenommen zu werden und dort 1849 das medizinische Doktorexamen abzulegen, bekam aber danach nirgendwo eine Anstellung und reiste nach Europa; auch hier keine Anerkennung, aber aufgrund des Einsatzes der Kaiserin Eugénie konnte sie ein Diplom für Geburtshilfe an der medizinischen Fakultät in Paris erwerben.
Wieder in New York, durfte sie keine Praxisräume mieten, aber mit einem Bankkredit kaufte sie ein Haus und eröffnete ihre Praxis, die mit großem Patientinnen-Zulauf gleich florierte.
Schon 1857 gründete sie das erste Frauen- und Kinderkrankenhaus in New York, dem nach einigen Jahren noch ein Kolleg angeschlossen wurde. Elizabeth
Blackwell setzte sich in Veröffentlichungen sehr für hygienische Verbesserungen sowie für eine allgemeine Krankenversicherung ein, die - wie wir wissen - in
Amerika auch heute noch nicht existiert. Von ihr stammt auch der Ausspruch Vorbeugen ist besser als heilen
.
Rückschau Gedenkanlässe 2009
Vortrags- und Gesprächsabend am 15. Jan. 2010 im Vereinsheim (neben der Schule)
Programm laut Ankündigung:
- Warum am 15. Januar? ein wenig Kalenderkunde: Römisches Neujahr und Gedenktag Scaliger.
- Vor 2000 Jahren Varusschlacht. Wo war der
Teutoburger Wald
? Wie ist das Ereignis einzuordnen? - Darwin-Jahr. Was war neu an der Idee? Auch Lamarck hat Jubiläum!
- Vor 100 Jahren wurde der Nordpol erreicht. Ein bisschen gemogelt? Es gibt ein merkwürdiges
Zielfoto
. - Ganz lokal: 100 Jahre Gottenheimer Schule. Wie war es damals in der Schule, als sie noch jung war?
Unsere Heimatdichterin, Frau Martha Schmidle wird die Frage beantworten. - Und was noch? Schiller, Händel, Haydn... Wer weiß noch mehr?
1. Kalenderkunde
Das älteste Ereignis, dessen wir heute gedenken, greift in die römische Geschichte zurück. Da passt es gut, dass wir die Rückschau am 15. Januar abhalten. Denn gestern wäre der Neujahrstag gewesen, wenn der damals gültige Julianische Kalender unverändert weitergeführt worden wäre. Grundproblem der Kalenderkunde ist, dass Erdumdrehung, Sonnenumlauf und Mondumlauf in keinem rationalen Zahlenverhältnis stehen. Sie sind noch nicht einmal wirklich konstant. Vor allem die Erdumdrehung ist messbar abnehmend. Verschiedene Kulturen haben unterschiedlichste mathematische Näherungslösungen gefunden.
Unsere Zeitrechnung basiert auf dem von Gaius Julius Caesar im Jahr 45 v. Chr. nach einem ägyptischen Vorbild (Reform des Euergetes Ptolemäus 238 v. Chr., die aber dort scheiterte) in Rom eingeführten Kalender, der alle 4 Jahre einen Schalttag vorsah. Dies war noch nicht unser 29. Februar, sondern ein doppelt gezählter 24. (sechster Tag vor dem 1. März, Anfang und Ende mitgezählt). Daher heißt noch heute das Schaltjahr auf französisch l'année bissextile. Dieser Julianische Kalender galt unverändert noch durch das ganze Mittelalter.
Erst Papst Gregor XIII. ließ im Jahr 1582 eine Kalenderreform durchführen, die wissenschaftlich sorgfältig, aber politisch schlecht vorbereitet war. Als Neuerung wurde angeordnet, in allen Hunderter-Jahren falle künftig die Schaltung aus, außer wenn die Hunderter durch 4 teilbar sind. Als Übergangsregelung ließ man sofort 10 Tage ausfallen. Auf den 4. Oktober 1582 folgte (in Rom) der 15. Oktober. Andere Staaten übernahmen diesen Gregorianischen Kalender nur zögernd und zu späteren Zeiten, Russland erst im 20. Jahrhundert.
Es trifft sich auch, das ein weiterer Gedenktag mit der Kalenderkunde zusammenhängt: der 400. Todestag von Scaliger.
Joseph Justus Scaliger (05.08.1540-21.01.1609) galt als bedeutendster Gelehrter seiner Zeit, der aber in Vergessenheit geriet, weil er sich zu viele Feinde gemacht hatte nicht zuletzt weil er
1562 zum protestantischen Glauben übergetreten war. Formal ausschlaggebend war, dass seine Gegner nachweisen konnten, die schon von seinem Vater behauptete Abstammung von der Edelfamilie
Scala vom Comersee sei falsch. Scaliger hat die Chronologie für historische Zwecke auf wissenschaftliche Grundlagen gestellt. Er erkannte, dass der Tag die einzige verlässliche Zeiteinheit
dafür ist. Zwecks rationellen Umrechnens erfand er die universelle Zeitskala des "Julianischen Tages" mit der Epoche (= Nullpunkt der Zeitachse) um 0 Uhr am 1. Januar des Jahres 4713 v. Chr.
Von da aus lassen sich alle Zyklen (julianischer Zyklus, Osterzyklus u.s.w.) zu einem umfassenden Scaliger-Zyklus zusammenfassen. Der erste Scaliger-Zyklus wird am 31. Dezember 3267 n. Chr.
enden (gregorianisch ist das der 22. Januar 3268). Bei dieser Epochenwahl ergeben sich die wichtigsten Jahreskennzahlen der Kalenderkunde einfach als Reste bei der Division der Jahreszahl
durch 28 (Sonnenzirkel
), durch 19 (Mondzahl
= Goldene Zahl
), durch 15 (Römerzinszahl
).
Wir erfahren noch, warum die Kalenderkunde historisch auch für uns so bedeutsam war. Über lange Zeiten des Mittelalters war die Kalenderwissenschaft der einzige Grund, Mathematik und Astronomie
als Lehrfach an Klosterschulen und Universitäten aufrecht zu erhalten (Zweck: der Computus
, die Vorausberechnung des Ostertermins). Ansonsten wären diese Kenntnisse aus der Antike vielleicht
verloren gegangen.
2. Die Varus-Schlacht im Jahr 9 n. Chr.
Aus dem Geschichtsunterricht als Schlacht im Teutoburger Wald
bekannt, war dies das Ereignis, bei dem ein römisches Heer unter Varus von Germanen unter der Führung von Arminius vernichtend
geschlagen wurde. Wir haben römische Berichte von Cassius Dio, Tacitus und Velleius Paterculus.
Römisches Heer: 3 Legionen + kleinere Einheiten von Hilfsvölkern (3 Alen + 3 Kohorten).
Germanische Allianz: aus den Stämmen der Cherusker, Brukterer, Chatten und Marser.
Ort des Geschehens: schon länger in Verdacht, neuerdings archäologisch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
nachgewiesen, das Umfeld von Kalkriese am Nordrand des Wiehengebirges
(Osnabrücker Hügelland). Die Ausgrabungen laufen seit 1987 und sind noch nicht beendet. Für den in Wilhelminischer Zeit bevorzugten Ort bei Detmold am Teutoburger Wald, wo das Herrmannsdenkmal
steht, spricht nichts mehr.
Zum Namen: Die römische Nennung in saltus teutoburgenses
ist deswegen nicht falsch. Nur, was wir heute Teutoburger Wald nennen, ist ein kleiner Teil dessen, was bei den Römern so hieß.
Was geschah? Das Römerheer war von einem Sommerlager an der Weser nach Osten aufgebrochen und nach angeblichem Erfolg auf dem herbstlichen Rückzug nach Westen, wohl in ein Winterlager am Rhein (vielleicht Xanten, das 12 v. Chr. gegründet war). Dabei wurden sie mit gezielten Fehlinformationen durch den Germanen Arminius, der als römischer Offizier das Vertrauen des Heerführers Varus genoss, auf den Weg über Kalkriese geleitet, in eine Kette von Hinterhalten gelockt und aufgerieben. Der trichterförmige Korridor von Sandböden zwischen dem bewaldeten Gebirge und dem nördlich angrenzenden Moor eignet sich sowohl gut als Marschroute in ruhigen Zeiten als auch für einen Hinterhalt.
Wer war Varus? Publius Quinctilius Varus, keineswegs ein minder befähigter Mann, war schon 7-6 v.Chr. Proconsul der Provinz Afrika mit eigenem Münzprägerecht. Dann 6-4 v.Chr. Kaiserlicher
Legat mit richterlicher Befugnis (Augusti legatus pro praetore
) in der Provinz Syrien, wo er unter anderem den Vorsitz in dem Prozess des Herodes gegen Antipatros führte (gewissermaßen
Vorläufer von Pontius Pilatus). Seiner außergewöhnlichen Verdienste wegen wurde er 7 n. Chr. (mindestens 50 Jahre alt) zu ebensolchem Legaten in Germanien bestellt.
Wer war Arminius? Etwa 17 v.Chr. als Sohn des Häuptlings Segimer geboren, kam er mit etwa 9 Jahren als Geisel (Unterpfand für Vertragstreue) nach Rom, erhielt dort eine gute Ausbildung, wurde wohl adoptiert und machte Karriere, all dies durchaus üblich in jener Zeit. Als führender germanischer Offizier genoss er eine Vertrauensstellung bei Varus gerade bei dessen schwieriger Germanien-Mission. Er muss aber frühzeitig gegen das Unternehmen konspiriert haben, aus römischer Sicht Hochverrat.
Neue Forschungen zum Umfeld: Die Bodenoberfläche wurde rekonstruiert. Sie war vor 2000 Jahren sehr viel unruhiger als heute. Die Ausgräber fanden in einer Bronzeglocke, mit der eine
Wagendeichsel notdürftig repariert war, gut erhaltenes Pflanzenmaterial als Ausstopfung. Der raumzeitliche Bezug weist auf Juni bis September, passt also gut in die Zeit des Aufenthaltes
östlich der Weser; Hafer- und Erbsenstroh zeigen landwirtschaftliches Gelände an. Auch Pollenanalyse ergab für die Region kontinuierliche Besiedlung seit der Jungsteinzeit. In Kalkriese
sind Ackerbauspuren seit etwa 100 bis 50 v. Chr. archäologisch belegt; dann wurde die Siedlung aufgegeben. Eine Siedlung im benachbarten Engter bestand noch um die Zeit der Schlacht.
Literatur: Berichte d. Reinhold-Tüxen-Gesellschaft 10 (1998), S.73-94, Speier, Dieckmann, Pott: Paläobotanische Untersuchungen zu den Pflanzenfunden aus den archäologischen Ausgrabungen zur Varus-Schlacht bei Kalkriese
.
Einordnung: Die Wertigkeit des Ereignisses ist umstritten. Das Bild von den finsteren Wäldern
ist falsch. Als deutscher Nationalheld ist Arminius sicher stark überzeichnet.
Auch der Name Herrmann entspringt deutschnationaler Phantasie. Seinen germanischen Namen kennen wir nicht. Dass seine Konspiration einem heiligen Zorn
über römische Unterdrückung
entsprungen sei, ist unwahrscheinlich. Eher war es ein Versuch, sich für stammesinterne Machtkämpfe zu profilieren. Dazu sind einige nachfolgende Ereignisse aufschlussreich.
Trotz (oder wegen) seines Erfolges stößt Arminius im eigenen Stamm nicht auf Vertrauen, sondern auf Gegnerschaft. Sein Onkel Segestes setzt auf Bündnispolitik mit den Römern.
Er lässt Arminius gefangen nehmen. Dieser flieht, entführt Segestes Tochter Thusnelda und belagert ihn in dessen eigener Burg. Der Römer Germanicus befreit Segestes und nimmt Thusnelda
gefangen. Arminius kämpft gegen den Markomannen-Häuptling Marbod. Dann kommt es zu einem inneren Cheruskeraufstand und Arminius wird von seinen eigenen Verwandten getötet.
Im Triumphzug des Germanicus wird Vetter Segimundus, der mehrmals die Fronten gewechselt hat, Thusnelda und der kleine Sohn Thumelicus mitgeführt. Segestes weilt als Ehrengast unter den Zuschauern.
3. Darwin (geboren am 12. Februar 1809)
Viel gefeiert wurde 2009 als Darwin-Jahr. Da es zahlreiche Veranstaltungen gab, fassen wir uns kurz:
a) Darwin war ein äußerst vielseitiger und gründlicher Forscher mit einem umfangreichen Gesamtwerk. Über den Ursprung der Arten
von 1859 war nur eines, allerdings sein Hauptwerk.
b) Auch sein theoretischer Gegenpol
Lamarck hat ein 200-jähriges Jubiläum aufzuweisen: Sein Hauptwerk, die Philosophie zoologique
erschien 1809.
c) Das Neue an Darwins Theorie war nicht etwa die Idee der Evolution auf dem Wege der Abstammung, sondern die Selektionstheorie als Grundlage der Evolutionsdynamik. Abstammungslehre
und Evolution war damals in wissenschaftlichen Kreisen als Faktum bereits klar, und Lamarck hatte bereits einen anderen Vorschlag zur Evolutionsdynamik gemacht, nämlich die Vererbung individueller
Anpassung, eine Hypothese, die sich aber nicht bewährt hat.
4. Betretung des Nordpols (1909 durch Robert Edwin Peary)
Der Hergang ist umstritten, weil Pearys Dokumentation, fast möchte man sagen absichtlich unklar und vor allem nicht nachprüfbar war. Wahrscheinlich ist der Bericht insofern zutreffend, als Peary
dem Pol wohl möglichst nah
gekommen war. Ob er ihn erreicht hat, bleibt eine unlösbare Frage.
Was heißt erreicht
beim Nordpol? Im Gegensatz zum Südpol liegt der Nordpol nicht auf Festland, sondern im offenen Polarmeer, das nur insofern nicht offen
ist, weil Eis darauf
schwimmt, damals noch mehr als heute. Aber auch dieses Eis ist dauernd in Bewegung.
Das Zielfoto: Es kursieren zwei Fotos, auf dem die Männer um Peary am Pol posieren (wurde auch neulich in einer Fernsehsendung präsentiert). Beide Fotos zeigen den gleichen Eisschollenberg,
auf dem die Fahne aufgepflanzt ist, und ringsum keine andere deutliche Erhebung. Dass sich ausgerechnet genau am Nordpol eine solche Schollenauftürmung über die sonst ziemlich gleichförmige Eiswüste
erhebt, hat eine an Unmöglichkeit grenzende Unwahrscheinlichkeit
. Aber wenn man zufällig irgendwo einen so markanten Punkt findet, eignet er sich natürlich besonders gut, die Fahne
aufzupflanzen, auch wenn es kein Pol ist.
5. Schuljubiläum Gottenheim:
Das heutige Schulgebäude wurde 1909 fertiggestellt (Jahreszahl über dem Torbogen, unter dem Gottenheimer Wappen). Die Schule als Institution gab es schon vorher. Das alte Schulgebäude war weiter im Dorfzentrum unterhalb der Kirche. Alte Gottenheimer wissen das noch.
Außerdem gibt es Akten, aus denen hervorgeht, dass um 1850 zwei Lehrer mehr als 200 Kinder unterrichteten, und aus dem Frühmessfonds bezahlt wurden, so wird es jedenfalls zitiert in der amtlichen Kreisbeschreibung des Landkreises Freiburg Bd. II/1, S. 352 (1972).
Leider war die angekündigte Frau Schmidle durch plötzliche Erkrankung verhindert, aber mit Vertretern der Schule ergab sich ein anregendes Gespräch.
6. Was noch?
Weil allen bekannt, wurde nur kurz angetippt:Schillers 250. Geburtstag (* 10.11.1759), Händels 250. Todestag († 14.04.1759), Haydns 200. Todestag († 31.05.1809)
Eine Fülle weiterer Gedenkanlässe wurde genannt, nur sechs davon konnten noch mit wenigen Sätzen gewürdigt werden:
Böttger-Porzellan (1709): Johann Friedrich Böttger und Ehrenfried Walther v. Tschirnhaus entwickelten in Dresden das erste europäische Porzellan (das chinesische Weiße Gold
war schon
längst bekannt). Böttger gelang 1709 der Durchbruch zur Produktionsreife. Tschirnhaus war inzwischen gestorben. Die Manufaktur in Meißen wurde jedoch erst 1710 gegründet.
Alexander v. Humboldt († 06.05.1859) Naturforscher, Begründer der physischen Geographie, Vegetationskunde und Ökologie, forschte vor allem in Südamerika und Zentralasien.
Johannes Calvin (* 10.07.1509) Genfer Reformator, nachhaltige Wirkung auf Frankreich und USA.
Abraham a Sancta Clara († 01.12.1709) eigentlich Johann Ulrich Megerle, populärer Wiener Hofprediger.
Felix Mendelssohn-Bartholdy (* 03.02.1809) bedeutender Komponist der Romantik, Wiedererwecker des Interesses an Johann Sebastian Bach.
Abraham Lincoln (* 12.02.1809) amerikanischer Präsident, im Bürgerkrieg an der Spitze der Nordstaaten, hob die Sklaverei auf, erster ermordeter Präsident.
Die Masse der anderen wurde nur genannt: Knut Hamsun (* 4.8.1859), Nikolai W. Gogol (* 1.4.1809), Wilhelm Grimm († 16.12.1859), Edmund Husserl (* 8.4.1859), Wilhelm Iffland (* 19.4.1759), Jean Jaurès (* 3.9.1859) französischer Sozialist Pazifist Abgeordneter 1914 ermordet, Juliana Königin der Niederlande (* 30.4.1909), Kaiser Maximilian I. (* 22.3.1459), Fürst Metternich († 11.6.1859), Bettina v. Arnim († 20.1.1859), Svante Arrhenius (* 19.2.1859) Chemiker Nobelpreis 1903, Henri Bergson (* 18.10.1859) vitalistischer Philosoph Nobelpreis 1927, Pierre Curie (* 15.5.1859) Nobelpreis 1903 Magnetismus Piezoelektrizität Radioaktivität, Georges Danton (* 28.10.1759), Eleonora Duse (* 3.10.1859), Elisabeth v. Russland (* 29.12.1709), Paul Fleming (* 5.10.1609) Barockdichter, Jakob Fugger der Reiche (* 6.3.1459), Thomas Paine (* 8.6.1809) Schriftsteller, William Pitt d. J. (* 28.5.1759), Edgar Allan Poe (* 19.1.1809), Adam Ries († 30.3.1559), Carl Ritter († 28.9.1859) erster deutscher Geograph, Marschall Tilly (* Februar 1559), Titus Flavius Vespasianus (* 17.11.9 n. Chr.) römischer Kaiser, Johann David Ludwig Graf Yorck v. Wartenburg (* 26.9.1759) preußischer Feldmarschall.
Alle Texte: Dr. J.W. Bammert