Eisenbahn und ihre Modernisierung im Bahnhof Gottenheim

Fotoberichte über das ehemalige mechanische Stellwerk und das Ende des Dampf- und Dieselzeitalters auf der Eisenbahnstrecke Freiburg - Gottenheim - Breisach:

Gemütlicher Bahnübergang Gottenheim

31. Jan 2019: Letzte BSB-Fahrt — Adé besetzter Bahnhof Gottenheim

Fahrdienstleiter Klaus Melcher schließt für immer die Tür

Der 31. Januar war für Gottenheim historisch: Um 23:50 wurde an diesem Tag der letzte dieselbetriebene Zug von Freiburg kommend auf seinem Weg nach Breisach in Gottenheim im mechanischen Stellwerk abgefertigt – von Fahrdienstleiter Klaus Melcher, der um Mitternacht auch seinen letzten Arbeitstag im Gottenheimer Stellwerk beendete. Als Melcher nach Mitternacht die Tür zum Stellwerk zuschloss, unter Beteiligung des Bürgermeisters, seiner Familie, der Kollegen von der Deutschen Bahn und vielen Freunden, endete auch die Zeit des Gottenheimer Stellwerks und des 'besetzten' Bahnhofs. Am Freitag begannen die Bauarbeiten auf dem Bahnhofsgelände, von dem heute schon kaum mehr etwas von den bisherigen Schienen und Bahnsteigen zu sehen ist.

Nach dem Umbau des Bahnhofs und der Eröffnung der elektrifizierten Strecke Ende 2019, wird der Gottenheimer Bahnhof nur noch eine Gaststätte mit historischer Vergangenheit sein. Gottenheim ist dann in der Bahnsprache nur noch ein Haltepunkt, die Weichen werden dann im elektronischen Stellwerk der Breisgau-S-Bahn in Freiburg-Wiehre in Freiburg gestellt, die Durchsagen werden auch aus Freiburg eingespielt. Die markante Stimme von Klaus Melcher, die freundliche Beratung und Unterstützung Melchers und seiner Kollegen im Stellwerk werden vielen Gottenheimern und auswärtigen Bahnreisenden fehlen.

Gut gelaunt, aber auch ein wenig wehmütig, war BM Riesterer, der mit Jürgen Steiner, Baubetriebskoordinator für Nebenstrecken bei der Deutschen Bahn, am Donnerstagabend mit dem letzten Zug aus Freiburg kam. Tut, tuut, so das Signal, das den Zug ankündigte und auch bei der Abfahrt nach Breisach ertönte. Heute gehen 130 Jahre Stellwerk und Bahnhof in Gottenheim in die Geschichte ein, sagte der Bürgermeister bei seiner Ankunft in Gottenheim. Auf dem Bahnsteig Gleis 1 hatten sich Familie und Freunde sowie weitere Gäste versammelt, um bei Glühwein und Schorle den Bahnhof, das Stellwerk und Klaus Melcher in den Ruhestand zu verabschieden. Auch der Männergesangverein, in dem Melcher als Sänger aktiv ist, ließ es sich nicht nehmen, den Klaus mit einem Ständchen in den Ruhestand zu schicken. Melcher hatte zur Feier des letzten Arbeitstages seine schmucke Uniform aus früheren Tagen angelegt, als es in Gottenheim noch einen Schalter gab und Melcher und seine Kollegen Fahrkarten verkauften, Fracht abfertigten und die Gottenheimer sowie Touristen in allen Fragen rund um das Zugfahren beraten konnten. Im Stellwerk beim Hefezopf berichtete Melcher aus seinem langen Arbeitsleben, von schönen Erlebnissen und von Freundschaften mit Fahrgästen, die bis heute Bestand haben und bis nach China reichen. Jürgen Steiner hatte als Geschenk für den künftigen Ruheständler ein historisches Schienenstück mitgebracht, BM Riesterer verabschiedete Klaus Melcher mit herzlichen Worten und einer Flasche Gottenheimer Rotwein aus dem politischen Weinberg in den Ruhestand.

Im Jahr 1868 verabschiedete die Badische Regierung ein Gesetz zum Bau einer Eisenbahn zwischen Freiburg und Colmar. Die Antragstellung zum Bau der Eisenbahnstrecke Colmar-Freiburg war am 26.1.1868 erfolgt. Am 7. Januar 1870 fand der Spatenstich statt und im September 1871 konnte der reguläre Zugverkehr zwischen Freiburg und Breisach aufgenommen werden. Ab November 1878 fuhren die Züge auch über den Rhein bis Colmar und 1894 kam die Verbindung zur Kaiserstuhlbahn nach Endingen hinzu. Auf der Bahnlinie Freiburg-Breisach-Colmar war Gottenheim von Anfang an ein wichtiger Knotenpunkt. Klaus Melcher tut seit 1981 Dienst in Gottenheim, zunächst auch am Schalter, später noch als Fahrdienstleiter im Stellwerk.

Noch bis Dezember 2019 soll das ebenfalls mechanische Stellwerk in Breisach in Betrieb bleiben. Hier fahren während der Bauarbeiten auf der Breisacher Bahn noch Personen- und Güterzüge in Richtung Endingen und Riegel ab. Mit der Inbetriebnahme der elektrifizierten Breisacher Bahn, voraussichtlich am 1. Dezember, beginnt eine neue Ära in der Geschichte des Zugverkehrs zwischen Freiburg und Breisach und auch in der Geschichte des Gottenheimer Bahnhofs.
Text: Marianne Ambs

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Alle Bilder: Clemens Zeissler


27. Jan 2019: Die alte Eisenbahnstrecke vor der Elektrifizierung

Aufnahmen bei Fahrt mit Rebenbummler

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Alle Bilder: Clemens Zeissler


Mechanisches Stellwerk im Bahnhof Gottenheim bis 2018

Leider wurde 'unser' Stellwerk 2019 - nach Inbetriebnahme der elektrischen Breisgau S-Bahn - von der Deutschen Bahn abgebaut, um dessen gut erhaltene Teile bei Bedarf zur Reparatur der wenigen noch verbliebenen mechanischen Stellwerke in der Republik nutzen zu können.

2016: Das mechanische Stellwerk

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Alle Bilder: Werner Jäckisch

Am Bahnhof Gottenheim wurde bis 2018 noch mechanisch gearbeitet

Ein Besuch im alten Dienstraum

Stellwerk Gottenheim 2015-03

Rring, rring, bimmelt es. Gottenheim hört, antwortet Klaus Melcher. Sein Breisacher Stellwerkskollege bietet den Zug 4538 an. Jede Information wird vom Empfänger wiederholt, bis der Lokführer die Fahrterlaubnis bekommt. Verzögerungen müssen handschriftlich vermerkt werden. Ein elektronisches Signal kündigt den gleichen Vorgang aus Riegel und aus Freiburg an. Auf einem grafischen Computerbildschirm des Einheitsstellwerks ESDW blinken zwei Zugnummern. Automatisch surrt hier der Drucker mit. So treffen am Bahnhof Gottenheim halbstündlich drei Züge und zwei Epochen der Bahngeschichte aufeinander – die mechanische und die elektronische.

Wir sind der Nabel der Welt, sagt Melcher und lacht. Über 100 Jahre alt ist das Gottenheimer Stellwerk mit den hammerförmigen Spanngewichten an den Gleisen, die die Zugseile straff halten – relativ wartungsarm, sehr zuverlässig, wie er sagt. In Richtung Breisach, da machen wir alles noch mechanisch. Der ganze Bahnhof ist mechanisch. Was im modernen Bahnbetrieb der Drucker aufzeichnet, läuft auf der Breisacher Strecke noch handschriftlich. Ab zwei Minuten muss jede Verzögerung begründet werden. Früher hat man noch auf jeden Fahrgast gewartet, der angerannt kam. Das geht heute leider nicht mehr, sagt Melcher und tritt aus der Dienstraumtüre. Mit einem Blick zur Schwarzwaldsilhouette hinter den Gleisen kurbelt der Fahrdienstleiter die Handschranke zu. Damit niemand dort eingeschlossen bleibt, geht ein Blick zum Schwarz-Weiß-Monitor. Der absolvierte Vorgang macht einen Schlüssel der Hebelbank frei. Unser tägliches Fitnesstraining, scherzt Melcher. Mit routiniertem Krafteinsatz legt er drei blaue Hebel um, die per Seilzug die Weichen stellen, dann folgen drei rote Hebel für die Signale.

Seit 1981 im kleinen Stellwerksraum

Stellwerk Gottenheim 2015-02

Vorsicht am Gleis 2 bei Einfahrt des Zuges nach Freiburg, spricht Melcher ins Mikrofon. Minuten später quietschen Zugbremsen, Leute wechseln von einem Zug in den anderen, dann folgt das Diid-diid-diid schließender Türen. Ich habe hier viele interessante Bekanntschaften gemacht, weltweit, erzählt Melcher. Wenn ich die Sprache nicht versteh, sag ich: Zeig es mir mal auf der Landkarte – das funktioniert immer. Eine Frau klopft an die Türe und sagt: Herr Melcher, Sie müssen mir mal eine Auskunft geben. Melcher hilft. Seinen Arbeitsplatz mit Landschaft, Begegnungen und Hebeln würde Melcher gegen keinen modernen Stellwerksraum eintauschen. Muss er auch nicht. Der 62-Jährige geht in zweieinhalb Jahren in die wohlverdiente Rente. Seit 1981 arbeitet der Gottenheimer im kleinen Bahnhof, entweder in der Frühschicht ab 5:30 oder in der Spätschicht ab 13:30 – jeweils zehn Stunden lang. Nachdem die drei Triebwagen abgefahren sind, liegt noch Dieselgeruch in der Luft. Nun heißt es: Züge abmelden, Signale und Weichen zurückstellen. Sollte irgendwas vergessen sein, blockiert die Mechanik alle nachfolgenden Funktionen. In der Pause vom Personenverkehr saust ein kurzer Güterzug vorüber, ein seltener Anblick heute am Gottenheimer Bahnhof. Früher gab es bis zu 400 Schotterwagen pro Monat vom Steinbruch Bötzingen, erzählt Melcher. Ursprünglich war die Strecke zwischen Breisach und Freiburg im Jahr 1871 unter anderem für den Holztransport vom Schwarzwald an den Rhein und den Kohletransport vom Saargebiet nach Freiburg eröffnet worden.

Wenn mit dem Projekt Breisgau-S-Bahn 2020 das Streckennetz zwischen Markgräflerland, Titisee, Elztal und Kaiserstuhl modernisiert wird, ist das für den Abschnitt Breisach-Gottenheim der größte Schritt. Aus einem Umsteigebahnhof wird in Gottenheim der Ort, an dem Züge aus Freiburg, Breisach und Endingen gekuppelt oder aufgeteilt werden, so dass Fahrgäste einfach sitzenbleiben können. Bahnfahrern und Gottenheimer Bürgern stehen bis dahin einige Baustellen bevor. Außer dem Bahnhof müssen auch die Übergänge angepasst werden, auch elektronisch bleibt Gottenheim Dreh- und Angelpunkt.

Und vielleicht wird der Ort doch noch ein bisschen mehr zum Nabel der Welt, wie er es für Fahrdienstleiter Melcher schon ist: Für den 2012 gegründeten Verein Trans Rhin Rail Colmar-Freiburg ist die Verbindung erst dann komplett, wenn der Zug auch wieder bis nach Colmar fährt. Seit 1945 die Eisenbahnbrücken über Rhein und Rheinseitenkanal zerstört wurden, geht es ab Breisach nur mit dem Bus weiter. Nach ermutigenden Umfrageergebnissen hat der binationale Verein mit der Stadt Breisach eine Studie beauftragt, die das enorme Potenzial dieses Anschlusses bestätigen könnte.

Infos zur Breisgau-S-Bahn: BSB-2020 und www.freiburg-colmar-bahn.eu Trans-Rhin-Rail

Text, Bilder: Ute Schöler, Der Sonntag, 7. 6. 2015

Stellwerk Gottenheim 2015-01